Das zwanghafte Erstellen von Rankings und der inflationäre Gebrauch von Superlativen haben im Gastronomiejournalismus zu zweifelhaften Auswüchsen geführt. Aber manchmal geht es einfach nicht anders: Das über eine Stiege erreichbare Speisezimmer im Restaurant Tanglberg ist der schönste Gastraum der heimischen Spitzengastronomie. Wer das Glück hat, diesen perfekt eingerichteten und dekorierten Raum bei einstrahlendem Sonnenlicht zu erleben, wähnt sich in einem Gemälde. Ein ästhetischer Genuss, dem die Küche mehr als nur das Wasser reichen kann. Ein lauwarmer Reisraviolo mit Thunfisch liefert einen gelungenen, aber eher unspektakulären Einstieg. Die Gillardeau-Austern mit Beluga-Malossol-Kaviar schmecken intensiv und sind genauso klassisch wie der bretonische Wolfsbarsch, der in zwei Varianten, mit Schwarzwurzel-Tintenjus sowie mit Safran und Steckrübe, kommt. Fast schon logische Fortsetzung: Foie gras, gebraten und als Terrine mit Quittenrelish. Fehlt nur noch der Hummer. Und da kommt er auch schon: aus dem Atlantik, mit Nadelbohnen und Kokosmilch. Unglaublich samtig und fein, so gut bekommt man ihn hierzulande wohl nirgendwo sonst serviert. Spätestens jetzt ist klar, wo Küchenchef Rainer Stranzinger hinwill: zurück zu den Wurzeln. Das ist Haute cuisine im besten Sinn. Es folgt gelber Chicoree mit Jabugo-Schinken, Kurkuma und Senfblättern, dann ein Klassikausflug nach Italien in Form eines perfekten Risotto milanese und schließlich Filet mignon vom Charolais-Rind – ein Gericht, bei dem sich die kulinarische Zeitreise auch in der üppigen Portionsgröße widerspiegelt. Zum Dessert gibt es weiße Schokolade mit Camparisoufflé. Das alles ließe sich als No-Nonsense-Küche beschreiben, die sicher nicht hip oder im Trend ist, aber an einem Ort von zeitloser Schönheit sitzend, kann man den Zeitgeist auch einmal für ein paar Stunden vergessen.